Osteopathische Kiefergelenkstherapie:
„Zähne zusammenbeißen und durch.“ –in vielen Lebenssituationen ist dies unser Motto. Doch leider führt dies oft zu ungeahnten Problemen. Ohne es zu wissen, leiden viele Menschen unter den Folgen von Fehlfunktionen des Kiefergelenks. Diese bleiben aber häufig vorerst unentdeckt, denn nicht immer schmerzt dann auch der Kiefer.
Die Symptome entwickeln sich vielmehr schleichend anderswo und bleiben deshalb oft unentdeckt. Der Grund dafür sind feine Nervenverbindungen zwischen den Gelenken im Kiefer-, Kopf und Beckenbereich. Bereits kleine Fehlstellungen können enormen Druck auf diese ausüben. Tritt bei einem Gelenk eine Fehlbelastung auf, können folglich auch die anderen Gelenke schmerzen.
Folgende Auswirkungen kann eine sog. CMD (craniomandibuläre Dysfunktion), also eine Fehlfunktion im Kiefergelenk beispielsweise haben:
1. Kopfschmerzen oder Migräneanfälle
Treten sehr häufig bei einer craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) auf. Betroffene Patienten leiden oft seit Jahren daran, manchmal morgens nach dem Aufstehen, was auf nächtliches Zähneknirschen oder Aufeinanderbeißen hindeutet.
2. Schwindel und Gleichgewichtsstörungen
Verschwommene oder dunkle Wahrnehmung oder das Gefühl, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren. Oder aber man fühlt sich, als stünde man auf dem Deck eines Schiffes. Es fällt schwer, gerade zu stehen oder zu laufen.
3. Ohrenschmerzen oder Tinnitus
Eine mögliche Ursache dafür sind Nervenreizungen aufgrund von CMD, Veränderungen an der Schädelbasis oder auch Funktionsstörungen der Nackenmuskulatur.
4. Schmerzen in Gesicht, Nacken oder den Schultern
Eine Reizung der Nerven im craniomandibulären Bereich kann sich auf auch andere Stellen des Kopfes und Gesichts übertragen und dort zu Schmerzen führen. Einige Betroffene klagen z.B. über chronische Nasennebenhöhlenschmerzen, jedoch ohne die Anzeichen einer Infektion. Auch Augenschmerzen, ungeklärte Zahnempfindlichkeit oder Steifheit im Nackenbereich können auf CMD hinweisen.
5. Kognitive Schwierigkeiten
Wenn Kiefer und Schädel nicht richtig ausgerichtet sind, verlangsamt sich unter Umständen Flüssigkeitsaustausch zwischen Kopf und Körper. Dadurch kann es zu einer Beeinträchtigung des Denkvermögens kommen. Auch die Auswirkungen chronischer Schmerzen aufgrund von CMD sind nicht zu unterschätzen. Diese beeinträchtigen nicht nur unsere Konzentrationsfähigkeit, sondern können im schlimmsten Fall sogar Auslöser von Depressionen oder Angstzuständen sein.
6. Rückenschmerzen
CMD können zu einer „absteigenden Belastung“ führen und so z.B. Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule verursachen.
Ursachen einer CMD
Eine CMD entsteht in der Regel aufgrund einer Schwäche oder Krankheit in folgenden Bereichen: Struktur (z.B. Zähne, Kiefer, Halswirbelsäule), Stoffwechsel oder Psyche. Eine effektive CMD-Behandlung muss daher gleichzeitig alle drei Aspekte berücksichtigen.
Zu typischen konkreten Ursachen für Kiefergelenkstörungen zählen z.B.:
- Zahnprobleme, einschließlich Fehlstellungen des Gebisses
- Fehlstellungen der Kiefergelenke oder Muskelverspannung
- Verletzung von Kopf oder Nacken
- Degenerative Erkrankungen
- Chronischer Stress oder Anspannung
- Übermäßiger Verzehr von Kaugummi oder das Kaufen der Fingernägel
- Chronisches Zähneknirschen
- Eine häufige Fehlhaltung des Kopfes, zum Beispiel durch Schlafen auf dem Bauch
- Schlechte Sitzhaltung
Diagnose und Therapie
Die erste Person, die eine craniomandibuläre Dysfunktion in der Regel bemerkt, ist der Zahnarzt.
Eine effektive Therapie auf mehreren Ebenen an. Dem Patienten wird in der Regel als Erstmaßnahme eine Aufbissschiene angefertigt. Dadurch kann der Biss entkoppelt, Fehlkontakte der Zähne neutralisiert und die Kiefergelenke entlastet werden. Dies hilft oft schnell Schmerzen zu lindern oder sogar auszuschalten. Mit einer reinen Schienentherapie ist den meisten Patienten jedoch nicht geholfen, da hierbei nicht die Ursachen der Dysfunktionen adressiert werden. So ist die Gefahr groß, dass die Schmerzen nach einiger Zeit wieder kommen.
Als effektive Therapie hat sich deshalb eine Kombination aus Schienentherapie und Manualtherapie (Physiotherapie) oder Osteopathie bewährt. Damit die Behandlung erfolgreich verlaufen kann, ist es sehr wichtig, dass Zahnarzt und Physiotherapeut eng zusammenarbeiten und die Therapie Hand in Hand gestalten. Beide Fachbereiche sollten sich laufend austauschen und den Behandlungsplan gemeinsam anpassen.
Auch die Einbindung des Patienten in die Therapie ist von Bedeutung: Dieser sollte verstehen, welche Schritte für die Therapie notwendig sind und was er durch eigenes Engagement zur Heilung beitragen kann.
Natürlich muss jeder Behandlungsplan individuell auf die Problemstellungen des jeweiligen Patienten zugeschnitten werden. Es gibt aber grundlegende Behandlungsmethoden, die Physiotherapeuten fast immer im Zuge der Behandlung von craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) anwenden.
Zunächst erstellt der Physiotherapeut eine ausführliche Anamnese, in der die Beschaffenheit von Gewebe, Muskeln, Haut und Bewegungssegmenten analysiert wird. Im Fokus steht hier vor allem die Halswirbelsäule, da Probleme in diesem Bereich oft mit CMD zusammenhängen.
Je nach Befund wird dann ein Behandlungsplan erstellt. Die Therapie setzt sich in der Regel aus folgenden Maßnahmen zusammen:
- Manualtherapie
- physikalische Therapie (Kälte- und Wärmebehandlungen)
- Massagetherapie
- Dehntechniken
- Tape-Behandlungen (Kinesio-Tape)
Um den langfristigen Behandlungserfolg zu gewährleisten, werden dem Patienten meist auch „Hausaufgaben“ mitgegeben: Zusätzliche Übungen, die ihm der Physiotherapeut vorher gezeigt hat und die er zu Hause absolvieren soll. Dazu gehört auch die Schulung der eigenen Körperwahrnehmung, eine Korrektur der eigenen Haltung sowie die stetige Kontrolle der eigenen Motorik.